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Was ist nur mit Carson los? – Ein Blick auf die RB-Unit der Seahawks

Er hat es schon wieder getan: Der eigentliche RB1 der Seattle Seahawks, Chris Carson, hat am Sonntag erneut einen Fumble produziert. Und nicht nur das: ein Play nach seinem Fumble verloren die Seahawks erneut den Ball, dieser Fumble ging offiziell jedoch auf das Konto von Quarterback Russell Wilson.

Mit nun sieben Fumbles in der bisherigen Saison bei elf absolvierten Spielen, vier davon verloren, geht Carson diese Saison die wichtigste Eigenschaft eines Running Back ab: Den Ball sicher und fest in den eigenen Händen und Armen zu tragen. Carson ist damit als einziger Running Back in den Top 25 vertreten wenn es um Fumbles geht. Die zweifelhafte Ehre in dieser Liste auf Platz 1 zu stehen hat Quarterback Daniel Jones mit 14 Fumbles. Schaut man sich die Statistik an sieht man aber auch: Um Carson tummeln sich nur Quarterbacks, die Positionsgruppe, die den Ball bei jedem offensiven Snaps ihres Teams den Ball in den Händen halten.

Auf Platz 25 wartet dann mit Derrick Henry ein Running Back-Kollege, der auch als Lead-Back bezeichnet werden kann. Henry fumbelte den Ball aber “nur” vier Mal. Die komplette Statistik findet sich hier: https://www.teamrankings.com/nfl/player-stat/fumbles

Fumbles und die Folgen

In den ersten drei Spielen verlor Carson gleich dreimal in Folge den Ball. Er wurde kurzzeitig für Penny oder Prosise auf die Bank gesetzt. Carroll sprach Carson das Vertrauen und Carson zahlte das zurück: zwischen Woche 4 und Woche 8 produzierte Carson keinen einzigen Ballverlust mehr.

In den Wochen 9 – 12 trat die Problematik erneut auf: Vier Fumbles in drei Spielen. Carson hatte sogar noch Glück, so ging nur ein einziger Ball an den Gegner.

Die Folgen für das Team in den jeweiligen Situationen mal außen vor gelassen hatte der Fumble im Spiel gegen die Eagles dann aber direkte Folgen für Carson persönlich. Penny konnte das erste Mal Carson in Carries überholen, bekam den Ball insgesamt 14 Mal (Carson 12 Mal) und erzielte mit diesen Carries insgesamt 167 Yards Raumgewinn und erlief einen Touchdown über 58 Yards. Damit schlug er Carson um satte 72 Yards im direkten Duell.

Entfernt man den langen Lauf zum Touchdown aus Pennys Statistik so kommt er immer noch auf 5.5 Yards per Carry. Im Vergleich: Carson lief für 4.75 Yards per Carry.

“We are going to see if we can get more out of him.”

Das waren die Worte über Penny, die Pete Carroll auf der gestern abgehaltenen Pressekonferenz äußerte. Das kann man gut und gerne als “Coaches Speak” abtun.  Die Position von Carson als RB1 scheint aber nun immer mehr in Gefahr. Carroll, der schon immer auf den laufintensiven Ansatz setzt und ihn unter anderem damit anpreist, dass damit eine hohe Ballsicherheit erreicht wird, werden die wieder vermehrt auftretenden Ballverluste, die so gar nicht zur eigenen Philosophie passen (Eine Philosophie, bei der Ballverluste gerne gesehen werden, sollte aber sowieso hinterfragt werden), gar nicht passen. Da kommt Pennys Leistung gerade recht.

Running Back by Committee wahrscheinlich

Ich sehe die Seahawks aktuell in einer komfortablen Situation. Penny dürfte durch seine Leistung neues Selbstvertrauen geschöpft haben. Und trotz der Probleme um Carson sollte man nicht vergessen, was Carson auf den Platz bringt: Carson ist ein äußerst schwer zu tackelnder Running Back, der jeden halbherzigen Tackle-Versuch mit YAC (Yards after Contact) bestraft. Carson ist mit bisher 31 Receptions auch ein Faktor im Passing Game der Seahawks, in dem er prominenter als im Vorjahr eingesetzt wurde. Zum Vergleich: In der gesamten Saison 2018 brachte es Carson auf insgesamt 20 Receptions.

Außerdem sehe ich in den beiden Running Backs zwei Spieler mit unterschiedlichem Skill-Set, die beide für das Team nützlich sein können. Carson ist dabei wie beschrieben eher der Typ Dampfwalze, der vor allem zwischen den Tackles oder nach Kontakt Yards erzielen kann. Penny verfügt über einen blitzschnellen Antritt und ist gefährlicher, wenn er als Outside Runner eingesetzt und nicht den Großteil der Läufe innerhalb der Hash Marks absolvieren muss.

Was auch Sonntag im Spiel gegen die Seahawks wieder auffiel: Penny hat noch immer große Probleme in der Pass Protection. Eine Szene blieb dabei besonders in Erinnerung, bei der Penny seinen Block komplett verschlief (nach einem Adjustment an der Line durch Wilson) und eine kurze Route nach Außen lief. Der Verteidiger der Eagles konnte ungeblockt zu Wilson kommen und ihn anschließend sacken. Hier ist Carson Penny noch einige Schritte voraus.

Die Seahawks wären gut beraten darin die Carries untereinander aufzuteilen, je nach Situation und Play oder aber den Spieler, der im Spiel gerade einen guten Lauf (no pun intended) hat, erstmal auf dem Feld zu lassen.

Wenn man besonders kreativ werden möchte gäbe es auch Mittel und Wege, mit 21-Personnel beide Running Backs aufzustellen und aus diesen Sets Spielzüge zu laufen, die der Gegner bis dato noch nicht gesehen hat. Diese Möglichkeit ist aber sehr unwahrscheinlich, wahrscheinlicher bleibt einfach die Arbeitsteilung der Running Backs.

Ein kleiner Blick in die Zukunft

Um einen etwas brisanteren Blick in die Zukunft zu werfen muss man sich die Vertragssituation um Chris Carson ansehen. Carson geht nächstes Jahr in die letzte Saison seine Rookie-Vertrages, ist somit ein potenzieller Kandidat für eine Vertragsverlängerung. Running Backs in der heutigen NFL werden generell sehr ungerne bezahlt, oft lähmt ein dicker Vertrag für einen Running Back das gesamte Franchise. Carson hat zwar ein gewissen Wert für das Team, aber ist die Produktion von Carson nicht auch durch einen anderen Spieler ersetzbar?

Wie wir wissen sind Running Backs stark von ihrer Offensive Line abhängig. Das prägnanteste Beispiel der jüngeren Vergangenheit dürfte C.J. Anderson aus der letzten Saison sein: Der damalige Free Agent wurde von den Los Angeles Rams unter Vertrag genommen, als Star-RB Todd Gurley nicht fit genug war. Anderson legte daraufhin Fabelzahlen auf, konnte hinter der exzellenten O-Line der Rams die Rolle von Gurley eins zu eins ausfüllen.

Das Ironische an der ganzen Sache ist: Der Blick auf Carsons Draftposition, das Ende der siebten Runde im Draft 2017, lässt den Schluss zu, dass man auch bei einem erneuten Draft eines Running Backs in den späten Runden einen Spieler finden kann, der ähnlich Leistungen wie Carson abrufen kann.

Die Seahawks haben mit Rashaad Penny, dessen Pick in der ersten Runde nach wie vor hart kritisiert wird, einen weiteren Spieler als Nachfolger in der Hinterhand. Mehr noch: Mit Travis Homer haben die Seahawks im letzten Draft in der sechsten Runde nochmals nachgelegt, für frisches Blut auf der Position gesorgt. Und der nächste Draft kommt bestimmt.

Nun muss ich nach all den negativen Dingen auch eine Lanze für Carson brechen. Es gibt nämlich zwei Statistiken, die Running Backs maßgeblich selbst beeinflussen können: Yards after Contact und Broken Tackles. Und in diesen beiden Kategorien gut zu sein bedeutet, nicht nur von der Offensive Line abhängig zu sein, sondern das man in der Lage ist, selbst Raumgewinn zu kreieren.

Chris Carson belegt bei YAC aktuell den vierten Platz mit 601 Yards after Contact. Bei Yards after contact per attempt schiebt sich Carson auf Platz drei mit 2.9 Yards pro attempt. Bei Broken Tackles belegt Carson ebenfall den dritten Platz mit 23 gebrochenen Tackles, vor ihm stehen auf Platz Zwei Alvin Kamara mit 23 Tackles und auf Platz Eins Nick Chubb mit 25 Tackles. Carson befindet sich hier in exzellenter Gesellschaft unter Running Backs, die zu den besten der NFL gehören.

Über Carson kann man sagen, dass er wirklich zu den Top Running Backs der Liga gehört. Zu welchem Preis und ob er gehalten werden sollte, das möchte ich an diesem Punkt nicht abschließend beurteilen. Ich könnte es aber verstehen, wenn man Carsons Vertrag verlängern möchte. Der Deal darf aber nicht wie die großen Running Back-Deals der nahen Vergangenheit (Ezekiel Elliott, Todd Gurley) einen großen Cap-Space einnehmen und die Zukunft das Teams gefährden. Hier wartet erneut Schwerstarbeit für GM John Schneider bei einer Entscheidung, die ich nicht zu treffen vermag.

Abschließend sei aber zu sagen: Bekommt Carson seine Fumble-Probleme wieder in den Griff ist er einer der besten Running Backs der gesamten Liga und sollte dementsprechend auch Wertschätzung im eigenen Lager erfahren. Diesen Beweis muss Penny durch ein konstantes Abrufen seiner Leistung erst einmal erbringen.

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